Blick über ein Tal voller Weinreben bei gutem Wetter und blauem Himmel.

Natur trifft KulturWanderspaß auf dem Eppinger-Linien-Weg

20.11.2025von Evelyn und Ralph Scheer | unser BW
Eine Wanderung auf dem Eppinger-Linien-Weg ist wie eine Zeitreise durch die Jahrhunderte, gepaart mit Naturgenuss im Hier und Jetzt. Eine Oase der Entschleunigung zwischen Stuttgart, Karlsruhe und Heilbronn.

Mikroabenteuer in zwei Tagen

Was erwartet dich in einem Naturpark, der die Form einer Hand hat? Durchzogen von Flüssen und Bächen, die sich wie Adern durch die Landschaft ziehen. Wo Laubwälder Nordhänge und Höhenrücken in ein sattes Grün tauchen, während sonnenverwöhnte Südhänge den Weinreben vorbehalten sind. In einer Region, die nicht ohne Grund den Namen „Land der 1.000 Hügel“ trägt.Eine Wanderung durch den Naturpark Stromberg-Heuchelberg verheißt Aussichten, eine kontrastreiche Landschaft, geschichtsträchtige Orte und sogar filmreife Kulissen. Den Naturpark von Norden nach Süden zu erkunden heißt, ein Mikroabenteuer zu erleben. Wir haben dafür den Eppinger-Linien-Weg von Eppingen nach Mühlacker ausgewählt. Es ist ein Wanderweg mit Marathondistanz von gut 42 Kilometern, den wir auf zwei Tage aufteilen.

Tag 1Entdecken, durchatmen, loswandern

Weiherblick und Wanderkick

Es fängt schon gut an. Hellblau und wolkenlos spannt sich der Himmel über den kleinen Weiher. Eine Fontäne schießt in die Höhe und kräuselt die Wasseroberfläche. Im Hintergrund ragen mittelalterliche Bauwerke empor, verzerrt im Wasser gespiegelt. Weiße Schirme entfalten sich. Eine junge Frau löst rasselnd die Ketten der Stühle und Tische. Das Weiherbistro rüstet sich für die sonnenhungrigen Besucher. Ein Herbstmorgen wie im Bilderbuch. Die Fachwerkstadt Eppingen erwacht zu neuem Leben. Und wir sind voller Tatendrang und Vorfreude. Gestiefelt und gespornt stehen wir am Startpunkt unserer Wanderung. Noch fühlt sich der Rucksack federleicht an, die Füße ebenfalls.

Verteidigung im Grünen: Eppinger Linien

Die Tour verläuft entlang der Eppinger Linien, ein heute noch gut sichtbarer Verteidigungswall mit Gräben. Einst flankierten sie den 40 Meter breiten Verhau aus Ästen und Baumstämmen. Grund für die wehrhafte Abschreckung war der Pfälzische Erbfolgekrieg im 17. Jahrhundert. Der französische König Ludwig XIV. begehrte die Ländereien des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden-Baden. Letzterer ließ die Anlage gegen den Vormarsch französischer Truppen errichten. Er zwang die Bewohner, die insgesamt 86 Kilometer lange Verteidigungslinie von Weißenstein bis nach Neckargemünd in leidvollem Frondienst zu erbauen.

202 Stäffele zum Glück

Ein Grasweg, feucht vom morgendlichen Tau, führt aus dem Städtchen hinaus. Felder und Wiesen rücken in unser Blickfeld. Am Ende des Wiesenweges tauchen wir in den Wald ein, die fernen Geräusche des Industriegebiets weichen einem Vogelzwitschern. Schon bald eröffnet sich im Walddickicht ein Blick auf den gut erkennbaren Graben, an den sich der Pfad schmiegt: die Eppinger Linie. Doch nur ein kurzes Stück wandern wir gemütlich entlang der „Minischlucht“, bevor wir alle Kräfte mobilisieren müssen. Nach knapp dreieinhalb Kilometern erscheint die Himmelsleiter am Ottilienberg. 202 Stufen und 86 Höhenmeter erwarten uns.Unwillkürlich habe ich die Rockballade „Stairway to Heaven“ im Ohr. Zunächst beschwingt, später schwerer atmend, geht es hinauf. Oben angekommen, kreuzen zwei Rehe in schnellen, weiten Sätzen unseren Weg. Mit einem 200 Meter kurzen Abstecher gelangen wir zum Aussichtspunkt Kraichgau-Blick. Wir stehen auf dem Holzbalkon. Nur die Augen wandern weiter über die sanften, sattgrünen Hügel des Kraichgaus.

Geschichte trifft Gegenwart

Über unseren Köpfen wölbt sich ein dichtes Blätterdach wie ein Schutzschirm vor dem oft so hektischen Alltag. Dermaßen behütet wandern wir noch gute drei Kilometer weiter zum ersten Wachturm, Chartaque genannt. Einst diente die hoch geratene Blockhütte mit dem Antlitz eines Playmobilforts der Beobachtung des Feindgebietes. Heute schweift der Blick vom Turm über dichte Baumwipfel. Das nächste Highlight folgt auf den Fuß. Im Wald steht ein großer Tisch aus Metall mit zwei ungleichen Seiten. Es ist ein Werk des Gemminger Künstlers Hinrich Zürn, der uns mit seiner Kunst entlang des Weges begleiten wird. Die künstlerischen Installationen haben einen Bezug zur Geschichte der Verteidigungslinie. Erklärungen zu den Kunstwerken bietet das stählerne Buch neben den Skulpturen und eine App als digitaler Wegbegleiter.

Tipp

Lade dir vor der Wanderung die App „zeigmal“ herunter. Wie ein Wanderguide versorgt sie dich auf dem Eppinger-Linien-Weg mit spannenden Hintergrundinformationen. https://www.zeigmal.digital/

Großes Landschaftskino

Immer wieder wandern wir auf dem HW 8, dem 220 Kilometer langen Hauptwanderweg 8, auch Frankenweg genannt. Wir tauchen aus dem Wald auf und erreichen weite Obstwiesen und abgeerntete Felder. Ein Landwirt mäht dröhnend eine Wiese. Über ihm und uns kreist ein Milan, auf fette Beute hoffend. Schon von weitem sticht der weiße König des Schachspiels am Waldrand hervor. 14 Kilometer sind wir bereits gewandert, als wir uns dem Kunstwerk „Bauernopfer“ nähern. Die nächste Installation folgt am Anstieg des Strombergs: zwei Spiegel mit dem verzerrten Konterfei der Landschaft. In natura ist die Sicht noch beeindruckender, wie wir uns am Kürnbacher Ausblick überzeugen können. Der Blick schweift bis zum Pfälzer Wald und ins Elsass. Eine Tafel klärt auf, welches Landschaftskino vor unseren Augen abläuft. Müde, aber glücklich beenden wir nach über 23 Kilometern unsere Tagesetappe in Sternenfels. Dort übernachten wir in einer Pension.
Hölzerne Stufen bilden einen steilen Weg im Wald.
Ein Holzturm mitten in einem grünen Wald.
Übergroße hölzerne Schachfiguren stehen und liegen als Kunstinstallation auf einem Schachfeld.
Ausblick aus einem Holzverschlag hinaus über eine sonnige Weinlandschaft.
Die Himmelsleiter
202 Stufen und 86 Höhenmeter sind zu bezwingen.
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Tag 2Vergangenheit zum Anfassen

Nachdem wir die Wanderblessuren an den Füßen unter der warmen Dusche gelindert haben, ist Zeit fürs Frühstück. Empfehlenswert ist das Frühstück mit Kraichgaublick in der Bäckerei Thollembeek in Sternenfels. Frisch gestärkt starten wir unsere zweite Etappe nach Mühlacker. Entlang von Weinreben wandern wir weiter. Dabei haben wir den Schlossbergturm, der malerisch hoch über den Weinbergen von Sternenfels thront, fest im Blick. Wir lassen den Ort hinter uns. Im steten Wechsel aus Wald-, Wiesen- und Feldabschnitten kommen wir gut voran. Das für uns beeindruckendste Kunstwerk am Weg folgt nach rund dreieinhalb Kilometern mit dem Verhack. Riesige Baumstamm-Palisaden, kreuz und quer durch den Raum gebohrt, sollen nach Absicht des Künstlers ein Gefühl der Bedrohung und des Gefangenseins erzeugen.

Meter für Meter ein Genuss

Ein kurzes Stück weiter öffnet sich auf der linken Seite der Wald. Wieder einmal freuen wir uns über die Aussicht auf die Hügellandschaft. Die ersten gelb-braunen Blätter fallen Pirouetten drehend zu Boden. Sie gesellen sich zu den Schmetterlingen, die die Sonnenstrahlen ebenso wie wir genießen. Frieden und eine tiefe Ruhe umgeben den Wald. In Gedanken versunken, erwischt uns unerwartet die zwischen den Bäumen versteckte Kunstinstallation „Natura“, eine Art Wald im Wald von französischen Fotokünstlern.

Zeitsprung ins Mittelalter: Kloster Maulbronn

Wie eng die gemeinsamen Wurzeln Frankreichs und Deutschlands sind, zeigt sich auch bei unserem nächsten Ziel, das wir nach zehn Kilometern erreichen. Das Maulbonner Kloster wurde 1147 von burgundischen Zisterzienser-Mönchen gegründet – damals war das Burgund allerdings noch Teil des römisch-deutschen Kaiserreichs. Hier wollen wir zu Mittag essen. Voller Vorfreude wandern wir hinab zur Klosteranlage, begleitet von Weinbergen, mannshohen Trockenmauern und der vielleicht besten Aussicht auf das Kloster. Umarmt von den Hügeln des Strombergs empfängt uns die fast surreal schöne Klosteranlage. Bemerkenswert sind die unterschiedlichen architektonischen Stilrichtungen. Zurecht geadelt als Weltkulturerbe der UNESCO. Das ist sie also, das Motiv der Zwei-Euro-Münze und die Filmkulisse des Historienfilms über Hildegard von Bingen. Es fühlt sich an wie ein Zeitsprung ins Mittelalter.

Die erste Maultasche

Bruder Jakob, ein Laienmönch im Kloster Maulbronn war es. Er wollte während der Fastenzeit ein Stück Fleisch vor dem Verderben retten. Also mischte der clevere Mönch das Fleisch mit Kräutern und versteckte es vor Gott im Nudelteig. Die Maultasche war geboren. Keine Frage, dass wir die „Herrgottsb’scheißerle“ an ihrem Geburtsort kosten wollen. Stilgerecht lassen wir sie uns im Klosterhof im Restaurant Klosterkatz mit Kartoffelsalat und Soße servieren.

Mühlacker, wir kommen!

Zufrieden begeben wir uns auf die Zielgerade des Eppinger-Linien-Weges. Auf dem Erdwall der alten Befestigungslinie erreichen wir nach weiteren sieben Kilometern die zweite Chartaque. Wir klettern hinauf und drehen unseren Kopf in alle Richtungen. Diesmal könnten wir die Feinde erspähen, die Aussicht ist eine Wucht. Einen Abstecher sind uns die verflochtenen Ortsschilder, die Kunstinstallation „Zerstörung“ wert. Schon bald taucht die Skyline von Mühlacker mit dem weithin sichtbaren Wasserturm auf. Über einen Hohlweg, der sich tief in die Landschaft eingegraben hat, erreichen wir die Stadt. Nach zwei Tagen und – laut der aufgezeichneten Touren auf komoot – nun knapp 44 Kilometern und 690 Höhenmetern fühlen sich Füße und Rucksack deutlich schwerer an als zu Beginn. So schön es auch war, sind wir doch froh, in die weichen Sitze des Zuges zurück nach Eppingen plumpsen zu können.

Tipp: Nahverkehr vor Ort nutzen

Zwischen Mühlacker und Eppingen steht eine gute Verbindung mit dem ÖPNV zur Verfügung. Zum Beispiel fährst du in 54 Minuten mit dem Mex 17 c nach Bretten und weiter mit der S4 Richtung Heilbronn bis nach Eppingen. Die Fahrplanauskunft gibt es hier.
Blick durch grüne Weinreben einen Weinberg hinauf. Oben trohnt ein Turm.
Zwei Personen in Wanderkleidung sitzen und stehen auf dicken Holzstämmen.
Ein großer Brunnen steht im Innenhof des Klosters Maulbronn.
Ein Holzturm steht in einem grünen Wald.
Der Schlossbergturm über den Weinbergen von Sternenfels
Bei einer Wanderung im Kraichgau-Stromberg dürfen Weinberge natürlich nicht fehlen.
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ÜberblickAlle Infos zur Tour

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Prädikat Qualitätsweg Wanderbares Deutschland
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Eppinger-Linien-Weg: Kunst. Natur. Geschichte.
Der ausgezeichnete Qualitätswanderweg führt quer durch den Naturpark Stromberg-Heuchelberg, entlang der kulturhistorischen Verteidigungsanlage Eppinger Linien zwischen Eppingen und Mühlacker.
Heilbronner LandMittel13:30h41.1kmStreckentour
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Für euch unterwegsUnsere Reporter:innen

Eine Frau und ein Mann in Wanderklamotten knieen in einer Blumenwiese und schauen in die Kamera.
Evelyn und Ralph Scheer | unser BW

Evelyn und Ralph sind ein abenteuerlustiges Ehepaar, das die Welt am liebsten zu Fuß entdeckt. Besonders gerne sind sie in ihrer Heimat Baden-Württemberg unterwegs. Mit ihren Fotos und Storys inspirieren die Journalistin und der Fotojournalist in vielen Medien, auf ihrem Blog und Social Media.