Nahaufnahme einer strahlend pinken Orchideenpflanze an der eine Hummel hängt.

Raffinierte VerführerinnenOrchideenvielfalt am Kaiserstuhl

14.11.2025von Evelyn und Ralph Scheer | unser BW
Zwischen sonnigen Weinbergen überrascht der Kaiserstuhl mit einer großen Pflanzenvielfalt. Darunter sind 36 Orchideenarten, die du entdecken kannst.

Mehr als Wein und GaumenfreudeEldorado für Naturfans

Wenn man den Kaiserstuhl besucht, erwartet man weitläufige Weinlandschaften mit charakteristischen Rebterrassen und malerische Winzerdörfer zwischen den Hügeln. All das gibt es, so weit das Auge reicht. Doch einen Mammutbaumwald, exotische Bäume und Orchideenwiesen? Auch das gibt es: im idyllischen Liliental. Bei einer Orchideenführung entdeckst du die verführerischen Schönheiten und ihre Geheimnisse.

Fast zu fies, um wahr zu seinFantastische Welt der Orchideen – und wo sie zu finden sind

Wer hätte das gedacht? Orchideen sind nicht nur einfach betörende Schönheiten, sondern haben es faustdick hinter den Ohren. Oder besser gesagt, hinter den Blütenblättern. Sie locken, täuschen und enttäuschen – zumindest Insekten, die ihnen auf den Leim gehen. Im Kaiserstuhl gedeihen Orchideen mit Hummel- oder Spinnengesicht oder solche mit dem Antlitz eines Affen. Selbst Ziegenbockduft hat seine Fans.

Tipp

Du willst wissen, welche Orchidee du gefunden hast? Hol dir den „Taschenbegleiter Orchideen“ im Naturzentrum Kaiserstuhl oder bestell ihn online.

Selten, spektakulär, stinkend: Auf Orchideenjagd mit Hannelore Heim

Die Gästeführerin Hannelore Heim empfängt uns am Brunnen vor dem Gasthof „Zur Lilie“. Schon von weitem entdecken wir viele leuchtende, purpurne Farbkleckse auf den Wiesen. Unsere erste Orchideensichtung ist die Pyramidenorchis. Im Liliental kommt sie offensichtlich in großer Zahl vor und ist hier mittlerweile die häufigste Orchideenart. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie gefährdet ist. Im Kaiserstuhl findet sie noch perfekte Bedingungen. Wie ihre Kolleginnen mag sie sogenannte „Trockenwiesen“, also trocken, mager und kalkhaltig. Farblich weniger auffällig, jedoch sehr skurril, ist unsere zweite Sichtung, die Bocksriemenzunge. Sie ist eine imposante Erscheinung von bis zu einem Meter Höhe. Ihr unterstes Blütenblatt streckt sie wie eine Zunge heraus. Doch das Beste ist ihr ganz und gar nicht edler Duft. Sie stinkt wie ein Ziegenbock. Was uns die Nase rümpfen lässt, lockt ihre Bestäuber – Fliegen und Käfer – magisch an.

Ohne den Hinweis unserer Expertin wäre uns die dritte Orchideenart vermutlich gar nicht aufgefallen: „Da hinten ist ein Großes Zweiblatt. Das sieht aus wie eine Flaschenbürste.“ Man muss schon sehr genau hinschauen, um die unscheinbaren, gelblich-grünen Blütchen zu erkennen. Zwei prächtigere Arten, das Helmknabenkraut und das Affenknabenkraut, finden wir leider verblüht vor. Also heißt es im April wiederkommen!

Unser TippUnterwegs mit Experten

Die Kaiserstühler Gästeführer nehmen dich mit zu den schönsten Orten. Wer die Orchideenpracht erleben möchte, kann eine zweistündige Führung mit Hannelore Heim durch das Liliental unternehmen. Die hier beschriebene Tour startet am Gasthaus Lilienhof und führt auf rund zwei Kilometern auf den Wegen 1 und 2 zu den Orchideen. Auf dem Hundskehlenweg geht es in Richtung Norden zu den Mammutbäumen. Zurück spaziert man auf dem Sautalweg, vorbei an den Maserbirken, wo die meisten Orchideen zu finden sind. Der Weg ist nur leicht ansteigend und es gibt Sitzbänke zum Ausruhen. Die Führung ist mit Kinderwagen und auch für Menschen geeignet, die nicht so gut zu Fuß sind.
Eine ältere Frau mit kurzen grauen Haaren und einer Brille untersucht eine Pflanze in ihren Händen.
Gästeführerin Hannelore Heim

Wie im MärchenRiesen und Zwerge

Bevor wir jedoch die trickreichsten Verführerinnen kennenlernen, sind wir zunächst vom Mammutbaumwald beeindruckt. Für die Baumgiganten haben wir heute allerdings kein Auge. Wir begeben uns wieder auf Orchideenjagd und werden im lichten Maserbirkenwald fündig. Sichtung Nummer sechs ist der Violette Dingel. Eine seltene Orchidee, die kein Blattgrün ausbildet und deshalb ein Dasein als Schmarotzer fristet.

Sexualkunde auf Pflanzenart

Endlich entdecken wir die eigentlichen Stars des Tages: die Ragwurzen. Bienen- oder Hummelragwurz? Das ist hier die Frage. Wir sichten beide. Zum Glück steht uns die Spezialistin zur Seite: „Die Hummelragwurz hat Pausbacken mit einem grünen Zipfelchen darunter.“ Im Liliental gibt es vier Ragwurzarten: die Hummel-, Bienen-, Fliegen- und Spinnenragwurz. Sie alle sind sogenannte Sexualtäuschblumen. Ihre Blüten sehen Insekten täuschend ähnlich. Damit locken sie Insektenmännchen an, die vor den Weibchen schlüpfen. Liebestoll umherfliegend, stoßen sie auf ihr vermeintlich weibliches Pendant und lassen sich nieder. Doch es ist nicht nur der visuelle Betrug, selbst Duft und Haptik passen. Die Männchen werden auch mit Pheromonen, den Sexualduftstoffen, angelockt. Diese entsprechen zu 99 Prozent denen ihrer Weibchen. Weil sich das Haarige schließlich auch wie das begehrte Gegenstück anfühlt, ist der Trick perfekt. Die Blüten haben Pollenpakete, die am Insekt kleben bleiben. Das kann auch einmal das Auge sein. „Sie bekommen Hörner aufgesetzt“, sagt Heim. Im wahrsten Sinne des Wortes. Solange das Insekt lebt, lösen sie sich nicht mehr ab. Damit bestäubt der Gehörnte die nächste Orchidee.

Geheimnis im Verborgenen

Jetzt geht es Schlag auf Schlag: Orchidee Nummer neun und zehn tauchen auf. Es sind die duftende Waldhyazinthe und das Rote Waldvögelein. Keine Orchidee, aber dennoch wunderschön und selten, ist der Ackerwachtelweizen, an dem sich gerade eine dicke Hummel labt. Orchidee Nummer elf ist eine fast verblühte Purpur-Orchis. Apropos Orchis. Einen wichtigen Aspekt erfahren wir zum Schluss. Und es bleibt im Bereich der Aufklärung. „Orchis“ leitet sich vom griechischen Wort für Hoden ab und verweist auf die paarigen Knollen dieser Erdorchideen. Die Ähnlichkeit mit denen der menschlichen Art ist tatsächlich frappierend. Daher kommt auch der deutsche Name Knabenkraut, den mehrere heimische Orchideenarten tragen.

Die beste Zeit für die Orchideenjagd

Die Orchideen im Liliental blühen von Anfang April bis Juli. Die meisten Arten findest du von Ende Mai bis Juni.

Orchideen verdienen unseren Schutz

Bis eine Orchidee das erste Mal blüht, vergehen zehn bis zwölf Jahre. Darum sollte man nicht in Wiesen hineingehen, wo Orchideen wachsen. Wenn man auf die kleinen Pflänzchen tritt, sind sie zerstört. Ausgraben und Pflücken sind natürlich ebenfalls tabu. Viele Arten sind gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht und stehen deshalb unter Naturschutz. Wir wollen sie bewahren, die kostbaren, trickreichen Wesen.
Nahaufnahme einer strahlend pinken Orchideenpflanze an der eine Hummel hängt.
Nahaufnahme einer weiß-braun-blühenden Orchidee.
Eine kleine Pflanze wird zu Demonstrationszwecken zwischen Daumen und Zeigefinger gehalten.
Eine grüne Wiese auf der lila und gelbe Blumen blühen.
Über die farbenfrohen Blüten freuen sich nicht nur die Menschen.
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Die Geschichte des LilientalsVon der Ackerfläche zum Pflanzenparadies