Stadtführung auf den Spuren von Mark Twain
„Ich bin irgendwann gefragt worden, ob ich das mal machen würde“, erzählt der Guide. Und dann hat er die eher zufällig übernommene Rolle mit so viel Leben und Witz gefüllt, dass er nicht mehr aus ihr heraus kam und wollte. Mittlerweile macht er solche Touren nur noch ab und zu auf Anfrage, – so wie heute mit uns: Wir erkunden gemeinsam die Altstadt und fahren ein Stück auf dem Neckar. Denn Mark Twain schreibt im „Bummel durch Europa“ auch allerlei Überraschendes über den Fluss und seine Burgen, über Heilbronn und Bad Wimpfen. An einer Stelle heißt es zum Beispiel: „An vielen Stellen ist der Neckar so schmal, dass man einen Hund hinüberwerfen kann, wenn man einen hat; (…)“
Das Heidelberger Schloss – eine verlassene Ruine
Der Schriftsteller residiert damals übrigens auf einem Felsen über dem Fluss in Alberts Schlosshotel, das es heute nicht mehr gibt. Er genießt die erstklassige Aussicht aufs Wasser – und Heidelberg. Sie liege in einer Schlucht, die die Form eines Hirtenstabes habe, notiert er. Und weiter über das im Abendrot liegende Heidelberg: „Ich habe niemals eine Aussicht genossen, die einen so stillen und beglückenden Zauber besessen hätte.“ Die Schlossruine ist für ihn hingegen „verlassen, entthront, sturmgepeitscht, aber immer noch fürstlich und schön“. Klar, dass Gäste aus den USA sich in good old Germany und speziell in der Region Heidelberg bis heute gerne an seine Fersen und Verse heften.
Über 100 Jahre altes Graffiti im Studentenkarzer
„Howdy, howdy, liebe Freunde in Deutschland“, begrüßt uns denn auch der unechte Mark Twain am riesigen Weinfass im Heidelberger Schloss und erklärt mit schelmischem Unterton, dass seiner Meinung nach in dem Fass einst gar kein Wein lagerte, sondern Sahne. Man hört dem Guide gerne zu – und irgendwann vermischt sich alles miteinander: der originale Mark Twain, sein Heidelberger Alter Ego, die Region am Neckar, einst und jetzt, Fiktion und Realität. Das ist reizvoll und macht Spaß und hätte vermutlich auch dem wahren Mark Twain gut gefallen, denn auch der liebte ja die Ironie und das Spiel mit Worten und Wahrheiten. Weiter geht’s im Hier und Jetzt zur Scheffelterrasse mit ihrer grandiosen Sicht auf Heidelberg und dann zum Studentenkarzer unten in der Altstadt. Der ist weltberühmt, weil hier die einst wegen nächtlicher Ruhestörung oder erhöhtem Alkoholgenuss einsitzenden Studenten sich die Zeit damit vertrieben, die Wände zu bemalen – man erlebt in den kleinen, dunklen Räumen also politisches Graffiti aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Mark Twain beschreibt den Karzer so: „Die Wände waren dicht mit Bildern und Porträts (im Profil) überzogen, einige mit Tinte, einige mit Ruß, andere mit Bleistift (…) und wo immerhin ein oder zwei Zoll Raum zwischen den Bildern geblieben waren, hatten die Gefangene klagende Verse, Namen oder Daten hingeschrieben.“ Und weiter: „Ich glaube nicht, dass ich mich jemals in einem Raum befunden habe, der reicher al fresco ausgemalt war.“