Frau macht mit Eiszeitflöte Musik in einer Höhle. Sie ist dick gekleidet.

Klang der EiszeitEiszeitkunst auf der Schwäbischen Alb

29.8.20245 min. Lesedauer
Sensationelle Eiszeit-Funde auf der Schwäbischen Alb: Schon seit 40.000 Jahre haben Menschen einen Sinn für Musik. Wir sind dem Klang der Eiszeit auf der Spur.

BW Story - List & Steidel

Sensation: 40.000 Jahre Sinn für Musik

In den Höhlen im Ach- und Lonetal der Alb sind Grabungsteams auf sensationelle Funde gestoßen: Rund 40.000 Jahre alte Figuren, wie die „Venus vom Hohle Fels“, aber auch Bruchstücke von Flöten aus Knochen und Elfenbein. Sie zeigen, dass die eiszeitlichen Jäger schon Sinn für Musik hatten.
Ein heller, zarter Ton durchdringt den Raum bis in ihren letzten Winkel. Andächtig lauschen die Besucherinnen und Besucher der Melodie, die der eindrucksvollen Höhle nochmal einen ganz besonderen Zauber verleiht. Dabei traut man dem zierlichen Instrument, auf dem Gabriele Dalferth spielt, eine solche Lautstärke gar nicht zu: Ihre Flöte ist gerade mal um die 20 Zentimeter lang und hat einen sehr kleinen Durchmesser – und ist ein Nachbau aus der Steinzeit, als die Menschen solche Instrumente aus Knochen und Mammutelfenbein geschnitzt haben. Erstaunlich, dass die Musikerin damit den ganzen Hohle Fels, wie die Höhle bei Schelklingen heißt, zum Klingen bringt.
Eine Frau pustet in Öffnung einer Eiszeitflöte. Sie steht vor einem Felsen.
Gabriele Dalferth verzaubert Besuchende mit dem Spiel auf der Eiszeitflöte.
Die ehemalige Grundschullehrerin aus Königsbronn hat das Flötenspiel an der Musikschule unterrichtet. Fasziniert von den archäologischen Funden in ihrer Heimat hat sie außerdem eine Ausbildung der Universität Tübingen zum Archäoguide gemacht. Nachdem 2006 ein nur vier Zentimeter großes Mammut aus Elfenbein in der Vogelherdhöhle entdeckt wurde, sollte sie zu seiner feierlichen Präsentation auf der Flöte spielen. Ihr übliches Instrument fand sie nicht passend für diesen Anlass – und sie begann, sich mit dem musikalischen Erbe der Steinzeit zu beschäftigen. Heute sind ihre „Klänge aus der Urgeschichte“ in vielen Museen gefragt. Auch im Hohle Fels im Achtal hat sie schon häufiger gespielt.
Durch einen schmalen Tunnel gelangt man hinein in den Hohle Fels, eine der größten Hallenhöhlen der Schwäbischen Alb. Ihre Grundfläche entspricht etwa zwei Tennisplätzen. Mit ihren 30 Metern Höhe vermittelt sie den Eindruck, in einer spärlich beleuchteten Kathedrale zu stehen. Das künstliche Licht sorgt auf den bucklig-höckerigen Wänden für ein faszinierendes Schattenspiel. Auf der gegenüberliegenden Seite steigt der Boden steil auf. Gabriele Dalferth, gekleidet in Felljacke und -schuhe und mit Lederbändern im Haar, steht oben wie auf einem Balkon und spielt. Noten sind natürlich keine überliefert, da lässt sie ihrer Fantasie freien Lauf. Wo Informationen gesichert sind, hält sie sich aber daran. Etwa bei ihren Flötenrepliken, die sie alle erst einmal mit den Mitteln der damaligen Zeit nachgebaut hat. „Mit Feuersteinklingen haben die Menschen die Löcher geschabt“, erklärt sie und dreht das Instrument in ihrer Hand. Es ist der Nachbau einer Flöte, auf die ein Ausgrabungsteam 2006 im Hohle Fels gestoßen ist. Ein Instrument mit fünf Fingerlöchern, gefertigt aus Knochen, der Speiche eines Gänsegeiers.
Drei verschiedene Eiszeitflöten aus Knochen.
Frau macht mit Eiszeitflöte Musik in einer Höhle. Sie ist dick gekleidet.
Außenansicht einer Höhle. Man sieht einen Felsen aus einem Wald ragen.
Die Flöten sind aus Schwanenflügel- und Gänsegeierknochen gefertigt.
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Vor 40.000 Jahren haben die Menschen, die aus Afrika und über den Nahen Osten entlang der Donau eingewandert sind, in den Höhlen der Schwäbische Alb Schutz gesucht. Und dort Werkzeuge, Schmuck und Instrumente hinterlassen. Einer der Sensationsfunde war eine sechs Zentimeter hohe Figur, die vor rund 40.000 Jahren aus Elfenbein gefertigt wurde: Die „Venus vom Hohle Fels“ gilt als älteste bekannte Darstellung eines Menschen.
„Die Höhle ist ein Schwammriff aus der Jurazeit“, erklärt Otto Schwabe. Der Experte führt regelmäßig Gruppen durch den Hohle Fels und hat dabei Menschen kennengelernt, die regelmäßig kommen, um hier auf der Gitarre zu spielen oder und einfach nur Zeit an einem für sie wichtigen Kraftort zu verbringen. Anschaulich erzählt Schwabe von der Geologie und davon, dass sich im Sediment organisches Material, wie das Elfenbein der „Venus vom Hohle Fels“, gut erhalten habe.
Lächelnde Frau schaut Eiszeitflöte vor Fels an. Sie hat graue Haare und trägt einen dicken Mantel.
Innenansicht einer Hallenhöhle mit wenig Licht
Replikat der „Venus vom Hohle Fels“, die 2008 bei Ausgrabungen entdeckt wurde.
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Ein Mischwesen aus Mensch und Tier

Nicht nur im Hohle Fels, auch andernorts schlummerten Kunstwerke und Musikinstrumente in der Erde. Im Achtal zählen neben dem Hohle Fels auch das Geißenklösterle und der Sirgenstein zu den bedeutendsten archäologischen Stätten. Im nordöstlich von Ulm gelegenen Lonetal sind es die drei Höhlen Vogelherd, Hohlenstein-Stadel und Bockstein. Alle sechs gehören als Fundstellen der Eiszeitkunst seit 2017 zum Weltkulturerbe. Die ältesten bisher bekannten Flöten weltweit wurden hier entdeckt, außerdem Tiere, wie das Elfenbein-Mammut, und mit dem Löwenmenschen ein Mischwesen aus Mensch und Tier.
Der Hohle Fels steht – außer in den Wintermonaten, wenn sich dort Fledermäuse zurückziehen – Besucherinnen und Besuchern offen. Wer hineingeht, schreitet über einen Steg, unter dem Archäologinnen und Archäologen in der Tiefe graben in der Hoffnung auf weitere Entdeckungen. Ein Notenblatt wird vermutlich nicht auftauchen. Gabriele Dalferth kann also weiterhin ihrer Fantasie freien Lauf lassen – und mit ihr das vom Klang der Höhle faszinierte Publikum.
Übersicht

Mehr zur Eiszeitkunst auf der Schwäbischen Alb

Die Höhle, in der das ganze Jahr über um die acht Grad herrschen, liegt etwa eineinhalb Kilometer von Schelklingen entfernt. Informationen zu den Öffnungszeiten und Führungen sowie zum Stadtmuseum Schelklingen findet man auf der Webseite.
schelklingen.de
Wer sich mit einem zertifizierten Höhlen- oder Welterbe-Guide wie Otto Schwabe auf den Weg in den Hohle Fels machen oder eine geführte Wanderung in Ach- oder Lonetal zu den weiteren Welterbe-Höhlen unternehmen will, findet die entsprechenden Kontakte unter
weltkultursprung.de/erleben/gaestefuehrungen
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