STUTTGART – Im Jahr 2017 jährte sich der Beginn der Reformation in Deutschland zum 500. Mal. Auch in Baden-Württemberg haben die epochalen Umwälzungen dieser Jahre die religiöse Landkarte entscheidend verändert. Aber trotz Reformation und Pietismus: Reliquienkult und Heiligenverehrung, Klöster und Wallfahrtsorte haben im Süden vielerorts ihre Spuren hinterlassen und dienen bis heute als Orte der geistigen Einkehr und der Besinnung.
Jakobswege in Baden-Württemberg
Er ist der Klassiker unter den Pilgerwegen – der Jakobsweg in den spanischen Wallfahrtsort Santiago de Compostela. Wer nicht bis ins ferne Galizien pilgern möchte, findet in Baden-Württemberg gleich mehrere Abschnitte dieser Route, deren Erkennungszeichen die Jakobsmuschel ist. Egal ob im Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald, am Bodensee oder im Schwarzwald, in fast jeder Region führt ein Abschnitt vorbei an bedeutenden Kirchen, Klöstern und Kulturdenkmälern.
jakobswege-bw.deOberschwäbischer Pilgerweg
Im Zeitalter des Barock war Oberschwaben eines der Zentren der Gegenreformation. Von der damaligen Wiederbelebung von Wallfahrten und Heiligenkult zeugen die prunkvollen barocken Klöster, Kirchen und Kapellen entlang des Oberschwäbischen Pilgerwegs. Zwölf Klöster und 88 Wallfahrtsorte entführen entlang der Strecke in die katholische Glaubenswelt des Barock. Manche der Klosteranlagen, darunter in Untermarchtal, Habsthal oder Beuron, werden noch immer von klösterlichen Gemeinschaften genutzt und öffnen ihre Türen für Besucher.
oberschwaebischer-pilgerweg.deKlosterroute Nordschwarzwald
Gleich drei bedeutende Klosteranlagen des Mittelalters haben in den Tälern des Nordschwarzwaldes die Jahrhunderte überdauert. Neben dem Benediktinerkloster Alpirsbach mit seiner romanischen und gotischen Architektur gehören zur Klosterroute auch die Klöster in Hirsau und Maulbronn. Als einer der frühesten Orte der cluniazensischen Reformbewegung hatte Hirsau großen Einfluss auf die Entwicklung des Mönchtums in Deutschland. In Maulbronn lässt sich eine der am intaktesten erhaltenen Klosteranlagen nördlich der Alpen bewundern, die als idealtypische Anlage des Zisterzienserordens auf der UNESCO-Welterbeliste steht.
kloster-alpirsbach.de;
klosterhirsau.de;
kloster-maulbronn.deKloster und Schloss Bebenhausen
Inmitten der Wälder des Naturparks Schönbuch bei Tübingen haben sich Klausur und Wirtschaftsgebäude des Zisterzienserklosters Bebenhausen seit dem Mittelalter fast unverändert erhalten. Von der Klosterkirche über den Kreuzgang und das Refektorium (Speisesaal) bis zu den Zellen der Mönche lässt sich hier das Ordensleben des Mittelalters nachvollziehen wie kaum an einem anderen Ort. Gleich nebenan errichteten sich die württembergischen Könige im 19. Jahrhundert ein Jagdschloss. Von 1947 bis 1952 diente Kloster Bebenhausen als Sitz des Landtags von Württemberg-Hohenzollern, das 1952 im neu gegründeten Bundesland Baden-Württemberg aufging.
kloster-bebenhausen.deBenediktinerabtei Stift Neuburg bei Heidelberg
Oberhalb des Neckartals, am Stadtrand von Heidelberg, liegt die fast 900 Jahre alte Abtei Stift Neuburg. Seit 1927 leben im Kloster wieder Mönche nach den Regeln des Heiligen Benedikt. Die Mönchsgemeinschaft versorgt sich weitgehend selbst und stellt in der Brauerei zum Klosterhof ihr eigenes Biobier her. Nach einem geführten Rundgang durch das Kloster kann man sich die Bierherstellung erläutern lassen oder in der Gaststube einkehren.
stift-neuburg.deKloster Heiligenbronn
Ein Gnadenbild und ein „Heiliger Brunnen“, der in der Krypta entspringt, begründeten bereits im 14. Jahrhundert die Wallfahrt nach Heiligenbronn, das auf dem Gebiet der Gemeinde Schramberg im mittleren Schwarzwald liegt. Die Franziskanerinnen vor Ort betreuen bis heute Pilger und Wallfahrtsgruppen und bieten Seelsorge und Führungen an. Für Ruhesuchende stehen Gästezimmer und ein Meditationsbereich im Freien zur Verfügung.
kloster-heiligenbronn.deKloster Ochsenhausen
Mit seiner repräsentativen Architektur ist das ehemalige Benediktinerkloster Ochsenhausen eine idealtypische Klosteranlage des Barock. Die Außenfassaden aus dem 18. Jahrhundert lassen eher an ein Schloss als an den Sitz einer Mönchsgemeinschaft denken. Aufwändig gestaltet zeigt sich auch die künstlerische Ausstattung: Neben der Klosterkirche stehen der klassizistische Bibliothekssaal, Teile des Konvents und die klösterliche Sternwarte für Besucher offen. Einen Höhepunkt bildet die barocke Orgel mit ihrem von Engeln gezierten Prospekt, ein Werk des Ochsenhauser Orgelbauers Joseph Gabler.
kloster-ochsenhausen.deKloster Reute
Das 1403 gegründete und bereits im 18. Jahrhundert aufgelöste Franziskanerinnenkloster Reute im oberschwäbischen Bad Waldsee erlebte nach seiner Wiedergründung im 19. Jahrhundert großen Zuspruch und beherbergt heute mehr als 200 Schwestern, die neben zahlreichen Missionsaktivitäten auch Gäste einladen, im Kloster Ruhe zu finden und einige Tage das Klosterleben aktiv mitzuerleben.
kloster-reute.deKlosterkirche St. Martin und Heilig-Blut-Ritt in Weingarten
Im ehemaligen Benediktinerkloster auf dem Martinsberg in Weingarten beeindruckt die Klosterkirche St. Martin mit ihrer Länge von 102 Metern, die sie zur größten Barockkirche in Deutschland macht. Neben der Größe und Ausstattung der Anlage zieht bis heute eine Reliquie mit dem Blut Christi Besucher und Pilger an. Die Legende von der Übergabe des Reliquiars an das Kloster im 11. Jahrhundert bildet die Grundlage für den Heilig-Blut-Ritt in Weingarten. Der Brauch, der sich seit 1529 nachweisen lässt, gilt als die größte Reiterprozession in Europa und findet jedes Jahr am Freitag nach Christi Himmelfahrt statt.
st-martin-weingarten.deCampus Galli – Karolingische Klosterstadt Meßkirch
Der Plan ist ambitioniert: Nach dem Vorbild des berühmten karolingischen Klosterplans von St. Gallen entsteht bei Meßkirch eine Klosterstadt, die ausschließlich mit historischen Materialien, Werkzeugen und Bautechniken errichtet wird. Der St. Galler Idealplan aus dem 9. Jahrhundert, der vermutlich niemals realisiert wurde, wird damit erstmals umgesetzt. Da die Bauarbeiten auf 40 Jahre angesetzt sind, lassen sich auf dem Gelände mittelalterliches Handwerk und der Fortschritt der Arbeiten auf lebendige Weise beobachten und miterleben.
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